
Nach Kommissar August Emmerich, der in inzwischen fünf Romanen Verbrechen im Wien der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg aufklären durfte, und dem jüdischen Antiquar Isaak Rubinstein, der bislang zweimal im Nürnberg des Jahres 1942 im Einsatz war, schickt Alex Beer mit Felix Blom nun noch einen dritten Ermittler ins Rennen und erweist sich ein weiteres Mal als Meisterin des historischen Kriminalromans.
Schauplatz des ersten Bands der neuen Reihe ist das sich im steten Wandel befindliche Berlin des Sommers 1878. Nicht nur in der Stadt tut sich in dieser Zeit jede Menge, sondern auch im Leben des Protagonisten Felix Blom. Drei Jahre saß der als „Schatten von Berlin“ berühmt-berüchtigte Meisterdieb zuletzt im Gefängnis Moabit in Einzelhaft und gleich nach der Entlassung droht schon wieder Ungemach. Der smarte, dank seiner Raubzüge einst wohlhabende und einem rasanten Lebensstil nicht abgeneigte Blom ist mittel- und obdachlos – gerade einmal drei Tage bleiben ihm, um bei den Behörden Bescheinigungen über eine Bleibe und eine Arbeitsstelle vorzulegen, ansonsten geht es postwendend zurück in Haft. In seiner Verzweiflung verschlägt es den tief gefallenen Ganoven wieder in seine alte Heimat, die heruntergekommene Gasse Am Krögel. In dem gefürchteten Elendsquartier kommt Blom in einer schäbigen Bude unter und findet tatsächlich eine Anstellung in der neu eröffneten, schlecht laufenden Detektei von Mathilde Voss, die ebenfalls gerade einen erstaunlichen Neuanfang hinter sich hat.
Just zu der Zeit, als Felix Blom versucht, in Freiheit wieder Fuß zu fassen, nimmt sich anderswo in Berlin ein junger Konditorgehilfe das Leben. Da bei der Leiche allerdings eine Karte mit der mysteriösen Aufschrift „Binnen dreißig Stunden musst Du eine Leiche sein“ gefunden wird, geht die Polizei davon aus, dass der Suizid des jungen Mannes wohl doch nicht ganz freiwillig war. Wenig später erhält auch Blom eine Karte mit einer ganz ähnlichen Aufschrift und fragt sich, wer wohl hinter dieser Drohung stecken mag. Etwa sein alter Erzfeind Alfred von Mesar, der ihn nicht nur ins Gefängnis gebracht hat, sondern ihm auch seine geliebte Auguste ausgespannt hat? Oder der Gangsterboss Lugowski, der seinen einstmals besten Mann davor warnen möchte, gegen ihn zu arbeiten? Schon Bloms erster Fall als Privatdetektiv ist also nicht nur äußerst persönlich, sondern auch lebensgefährlich.
„Basierend auf einer wahren Begebenheit“ steht auf dem Einband von „Felix Blom. Der Häftling aus Moabit“, was doch ein wenig hoch gegriffen ist. Für die Figur des Felix Blom stand der 1775 geborene Franzose Eugène François Vidoq Pate, der sich vom Gauner zum Privatdetektiv und einem der Begründer der modernen Kriminalistik wandelte, und tatsächlich wurde im Sommer 1878 bei der Leiche eines vermeintlich durch eigene Hand zu Tode gekommenen Konditorgehilfen eine Karte mit der Aufschrift „Binnen dreißig Stunden musst Du eine Leiche sein“ gefunden, aber der Rest der Geschichte ist rein fiktiv. Trotzdem hat Alex Beer natürlich auch für diesen Roman wieder akribisch recherchiert, so dass die Geschichte mit viel Zeitkolorit glänzt – beim Lesen fühlt man sich zuweilen wirklich zurückversetzt ins ebenso aufregende wie schäbige Berlin von vor knapp 150 Jahren. Die tolle Atmosphäre lässt dann auch den etwas arg konstruiert wirkenden, leicht verwirrenden Kriminalfall in den Hintergrund treten. Sicher bleibt in dieser Hinsicht für die Folgebände noch etwas Luft nach oben. Gleiches gilt für die beiden Protagonisten, die zwar einen durchweg sympathischen Eindruck machen, aber vor allem im Falle von Mathilde Voss durchaus Entwicklungspotenzial haben.
Alles in allem aber ist „Felix Blom. Der Häftling aus Moabit“ ein vielversprechender Auftakt für eine neue Reihe, auf deren Fortsetzung man gespannt warten darf. Einem August Emmerich – Band sechs soll dem Vernehmen nach nächstes Jahr erscheinen – kann Felix Blom aber (noch) nicht das Wasser reichen.
Alex Beer: Felix Blom. Der Häftling aus Moabit; Limes Verlag, 368 Seiten, ISBN: 978-3-8090-2759-1.
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
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