Tania Blixen: Babettes Gastmahl

Schon 2008 widmete der Manesse Verlag unter dem Motto „Frauen lesen!“ sein Jahresprogramm den Klassikerinnen der Weltliteratur. Dieses Jahr heißt es ebenso schlicht wie treffend „Mehr Klassikerinnen!“

Dabei wird natürlich nicht nur Altbekanntes neu verpackt. Tania Blixens Erzählung „Babettes Gastmahl“ zum Beispiel liegt nun zum ersten Mal in einer vollständigen Übersetzung aus dem Dänischen vor. Den bisher veröffentlichten deutschen Übersetzungen lag eine frühere, kürzere Version des Textes zugrunde, den die Autorin in englischer Sprache für ein US-Magazin verfasst hatte. Das leinengebundene Büchlein, übersetzt und kommentiert von Ulrich Sonnenberg und mit einem ausführlichen Nachwort von Erik Fosnes Hansen versehen, ist also nicht nur ein bibliophiles Schmuckstück, sondern fürs deutschsprachige Publikum auch eine echte Neuentdeckung.

Angesiedelt ist die nur gut 60 Seiten kurze Erzählung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In einem Städtchen im dünn besiedelten Nordnorwegen begegnen wir Leserinnen und Leser den Schwestern Martine und Philippa, zwei ältlichen Pastorentöchtern, die zusammen mit den verbliebenen anderen Gemeindemitgliedern ein gottgefälliges, aber etwas freudloses Leben im Sinne ihres verstorbenen Vaters führen. In jungen Jahren hatten die beiden durchaus Verehrer, die sie aber zugunsten eines Daseins in Frömmigkeit und Enthaltsamkeit stets abwiesen. Philippas ehemaliger Verehrer, ein französischer Sänger, tritt Jahrzehnte später wieder ins Leben der Frauen. Nicht persönlich, sondern Person seiner Bekannten Babette Hersant, die nach der Niederschlagung der revolutionären Pariser Kommune unter Lebensgefahr fliehen musste und vom Sänger ins abgelegene Norwegen geschickt wurde. Natürlich nehmen die beiden barmherzigen Schwestern Babette bei sich auf und beschäftigen sie als Haushälterin.

Lange Zeit bereitet Babette, die bereits in Paris als Köchin gearbeitet hatte, pflichtbewusst karge Mahlzeiten für die Gemeindemitglieder zu, ehe zwei Ereignisse alles auf den Kopf stellen. Zum einen steht der 100. Geburtstag des verstorbenen Pastors an, zum anderen gewinnt Babette ein ordentliches Sümmchen in der Lotterie — diesen Gewinn will sie dafür verwenden, um sich am Jubiläumstag mit einem opulenten französischen Gastmahl für die Unterstützung in größter Not zu bedanken. Selbstredend wird das Abendessen zu einem großen Fest der Lebensfreude, wie man es in der pietistischen Gemeinde so noch nie erlebt hat.

Eigentlich könnte man meinen, dass „Babettes Gastmahl“ vor allem eine Feier des Kulinarischen mit vielen Anregungen für „Essen aus Büchern“ ist, aber dem Festmahl und dessen Vorbereitung widmet Tania Blixen nur ein paar knappe Sätze. Kein Wunder, geht es in der Erzählung mit dem leicht märchenhaft anmutenden Tonfall nicht unbedingt ums Essen, sondern vielmehr um den Wert der Kunst. Dass Babette die ehemalige Meisterköchin des besten Pariser Restaurants ist, ist in erster Linie dem Handlungsort der Geschichte geschuldet. Sie könnte genauso gut Musikerin, Dichterin oder Malerin sein, aber eine Köchin passt eben besser in ein Pfarrhaus in Nordnorwegen. Die Liebe zur (Koch-) Kunst hat Babette in den schweren Zeiten in der Pariser Kommune ebenso am Leben gehalten wie auf der Flucht; das Festmahl feiert schließlich den Umstand, dass sie das alles überstanden und in Norwegen eine neue Heimat gefunden hat.

Kunst als etwas, woran man sich auch in der größten Hoffnungslosigkeit klammern kann — mit dieser tröstlichen Vorstellung ist „Babettes Gastmahl“ (leider) allzu aktuell.

  • Tania Blixen: Babettes Gastmahl (aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg; Manesse Verlag; 120 Seiten; ISBN: 978-3-7175-6001-2).
  • Zum Weiterlesen: In Paolo Cognettis aktuellem Roman „Das Glück des Wolfes“ spielt ein kleines Restaurant namens „Babettes Gastmahl“ eine nicht unerhebliche Rolle.

Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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