Die Mannigfaltigkeit der Vogelwelt

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Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt sich der Biologe Walter A. Sontag, Associate Scientist am Naturhistorischen Museum in Wien und Schüler des legendären Schweizer Tiergartendirektors Heini Hedinger, mit der Variabilität und der Persönlichkeit von Vögeln. Unter anderem erforschte der Autor schon als junger Wissenschaftler bei einer Gruppe afrikanischer Lappenstare die unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmale der einzelnen Individuen — fast so wie ein paar Jahrzehnte zuvor Len Howard bei den Kohlmeisen in ihrem Cottage.

Von Walter A. Sontags immensem Erfahrungsschatz und seinem schier unerschöpflichen Wissen profitiert nun das schön aufgemachte, kenntnisreiche Buch „Das wilde Leben der Vögel“, das es trotz seines vergleichsweise schmalen Umfangs in sich hat. Im ersten Teil widmet sich der Autor der „überwältigenden Mannigfaltigkeit“ der nach aktuellem Stand rund 11.000 verschiedene Spezies zählenden Vogelwelt, die sich in zahllosen Erscheinungsformen, Lebensräumen und Verhaltensweisen manifestiert. Walter A. Sontag nimmt die Leser*innen mit auf Expeditionen des britischen Evolutionsforschers Alfred Russell Wallace und des begeisterten Hobby-Ornithologen Jonathan Franzen, die sich — wie viele andere — die Frage stellten, wie man am besten eine sinnvolle Ordnung in diese überbordende Vielfalt bringen soll. Die Suche nach der Antwort auf diese Frage wird wohl auch noch viele weitere Generationen von Wissenschaftler*innen beschäftigen und jede Menge neue Erkenntnisse mit sich bringen.

20200520_133915Im zweiten Teil des Buches stehen die Beziehungen der Vögel untereinander und zu anderen Tieren im Mittelpunkt. Wir erfahren von teils gigantischen, bis zu mehrere Millionen Individuen umfassenden Zusammenschlüssen von Krähenvögeln und Staren, Kooperationen unterschiedlicher Vogelarten, komplexen Kommunikationsformen und nicht zuletzt Schmarotzertum — vom Brutparasitismus des Kuckuck bis hin zu Raben, die sich an der Beute von Wölfen „bedienen“.

Ähnlich vielfältig wie die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Vögel sind auch Partnerwahl, Fortpflanzung und Brutpflege — ein Thema, dem Walter A. Sontag ein weiteres ausführliches Kapitel widmet. Besonders interessant ist der darauf folgende Abschnitt über die Sinne der Vögel, da es in diesem Teilgebiet der Ornithologie nach wie vor eine Vielzahl offener Fragen gibt, die Raum lassen für hitzige Kontroversen in der Fachwelt und bahnbrechende Entdeckungen. So ist zum Beispiel nach wie vor nicht geklärt, wie der „innere Kompass“ funktioniert, der es Zugvögeln ermöglicht, immense Strecken zu bewältigen, und auch der bislang eher vernachlässigte Geruchssinn der Vögel ist erst in letzter Zeit stärker in den Fokus der Forschung gerückt.

Zum Abschluss seines anspruchsvollen Buches, das sich vor allem an Vogelbegeisterte richtet, die gerne etwas tiefer in die Materie einsteigen und sich einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung verschaffen möchten, wirft Walter A. Sontag einen Blick in die Zukunft. Welche Auswirkungen hat das Anthropozän mit all seinen Auswüchsen wie Verstädterung, Abholzung riesiger Waldflächen oder intensiver Landwirtschaft wohl auf die Entwicklung der Vogelvielfalt? Die Antwort auf diese Frage ist hinlänglich bekannt und leider sehr ernüchternd — allerdings gibt es auch hier einige Punkte, die Hoffnung machen auf eine positive Wende.

Letzten Endes gilt: Je mehr man von etwas weiß, desto eher ist man bereit, es zu schützen und zu bewahren. Insofern leistet „Das wilde Leben der Vögel“ einen großen Beitrag zum Erhalt der faszinierenden, vielfältigen Welt der Vögel.


Walter A. Sontag: Das wilde Leben der Vögel (C. H. Beck Verlag, 240 Seiten, 23 Euro).
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* Vielen Dank an den C. H. Beck Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars! *


📷 großes Foto von freestocks.org via pexels.com, Coverfoto von mir

4 Kommentare zu „Die Mannigfaltigkeit der Vogelwelt

    1. Der Autor verwendet sowohl „mannigfaltig“ als auch „mannigfach“ wirklich sehr oft. Damit macht er sich auch um diese schönen, leider fast vergessenen Wörter verdient. 😉

      Schönen Sonntag!

      1. Noch ein Verdienst des Autors!
        Ebenso einen schönen Sonntag.

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